11.06.2024
DruckenDKTK München: Fresszellen aus der Kulturschale für die Krebstherapie
Therapien mit patienteneigenen Immunzellen, die in der Kulturschale gegen den Krebs aufgerüstet wurden, haben sich bei einigen Leukämien und Lymphomen bereits als sehr wirksam erwiesen. Dazu werden T-Zellen des Patienten gentechnisch mit Rezeptormolekülen ausgestattet, die hochspezifisch bestimmte Merkmale der Tumorzellen erkennen.
Das Problem ist jedoch: Diese sogenannten CAR-T-Zellen schaffen es nicht, effizient in solide Tumoren einzudringen; die Therapien bleiben daher meist wirkungslos. Die Lösung könnte eine andere Gruppe von Immunzellen sein: bestimmte Fresszellen, so genannte Makrophagen, die zum angeborenen Immunsystem gehören.
Makrophagen haben die intrinsische Fähigkeit, in Tumoren einzudringen. Sie können Krankheitserreger oder erkrankte Zellen beseitigen, indem sie sie verschlingen, und sie aktivieren außerdem weitere Verteidigungslinien der Immunabwehr. Sie lassen sich ebenfalls mit zielgerichteten Rezeptorproteinen gegen Tumormerkmale ausstatten – aber: „Bislang war es unmöglich, Fresszellen in der erforderlichen Menge in der Kulturschale zu züchten", erklärt Philipp Greif, Leiter einer DKTK Forschergruppe am Klinikum der LMU München.
Sobald die Blutstammzellen, aus denen letztendlich auch die Fresszellen hervorgehen, aus ihrer natürlichen Umgebung im Knochenmark isoliert werden, beginnen sie, sich in reife Blutzellen zu differenzieren. Auf diese Weise bleibt der „Ertrag" an Fresszellen allerdings zu gering, um sie für medizinische Anwendungen zu nutzen.
Ein Team um Philipp Greif und Christian Wichmann, LMU Klinikum, hat nun eine Lösung dieses Problems gefunden: Die Forschenden statteten menschliche Blut-Vorläuferzellen genetisch mit dem Protein MLL-ENL aus. Hinter dieser Abkürzung verbirgt sich die Fusion zweier Proteine, die gemeinsam einen krebstreibenden Transkriptionsfaktor formen, der bei vielen Leukämien die Zellteilung antreibt.
Der Trick der DKTK-Forscher: Sie statteten MLL-ENL mit einer regulierbaren Domäne aus, über die es mit einer chemischen Substanz aktiviert werden kann. Experten sprechen von einem „induzierbaren" Transkriptionsfaktor. Wurden die Blutstammzellen in der Kulturschale in Anwesenheit der Substanz vermehrt, so gelang es, große Mengen an späten monozytären Blutvorläuferzellen, Vorläuferstadien des Makrophagen, zu züchten. Sobald die Substanz aus dem Nährmedium entfernt wurde, ließen sich die Zellen durch geeignete Stimuli und Immunbotenstoffe wie etwa Interferon-gamma zur endgültigen Differenzierung anregen – und entpuppten sich als funktionsfähige Makrophagen.
Analysen der Genexpression der so gewonnenen Zellen bewiesen, dass sie natürlichen Monozyten, den Vorläufern der Makrophagen, extrem ähnlich waren. Das bestätigten auch funktionelle Tests: Die laborinduzierten Zellen reagierten auf entsprechende Botenstoffe und beseitigten Bakterien sowie sterbende Zellen.
Makrophagen erkennen über ihre Fc-Rezeptoren Zellen, die vom Immunsystem mit Antikörpern als fremd markiert worden sind. Genau diese Eigenschaft zeigten die hergestellten Fresszellen aus der Kulturschale ebenfalls: Sie waren in der Lage, mit Antikörper-markierte Fremdzellen aufzunehmen und zu eliminieren.
„Unsere induzierten Zellen haben das Potenzial, in therapeutischen Anwendungen Krebszellen zu vernichten, indem sie sie auffressen. Hierbei sollen die Makrophagen mit einem zielgerichteten Rezeptorprotein ausgestattet werden, um sie spezifisch gegen Tumorzellen zu richten. Diese Möglichkeit werden wir nun in weiteren präklinischen Studien mit Hilfe eines Mausmodells testen," erklärt Roland Windisch, Erstautor der aktuellen Studie.
„Wir haben in dieser Arbeit erstmals induzierbare Transkriptionsfaktoren genutzt, um gezielt außerhalb des Körpers große Mengen eines bestimmten Zelltyps herzustellen. Unter Einsatz anderer Transkriptionsfaktoren lassen sich nach diesem Prinzip möglicherweise auch andere Arten von Blutzellen für therapeutische Anwendungen in der Kulturschale generieren," so Christian Wichmann, Transfusionsmediziner am LMU Klinikum und Leiter der Studie. So ließen sich unter Umständen auch verschiedene andere menschliche Blutzellen in großem Maßstab herstellen und in Zukunft eine Alternative zur Blutspende aufzeigen.
Das Projekt wird durch die Else Kröner-Fresenius-Stiftung (EKFS) gefördert.